Berlin 2016 – Wahl-Check

Am 18. September 2016 findet bekanntlich die Wahl zum Berliner Abgeordnetenhaus statt. Auch, wenn es sich beim Berliner Archivwesen um einen kleinen und sehr speziellen Teil der Gesellschaft handelt, soll hier untersucht werden, welche Aussagen die Wahlprogramme der politischen Parteien zu diesem Thema machen. Bei insgesamt 17 Parteien, die zu dieser Wahl antreten, musste sich die Analyse auf einen Ausschnitt der Bewerber beschränken. Geprüft wurden daher die Wahlprogramme der bereits im Abgeordnetenhaus vertretenen Parteien, wobei v.a. die Bereiche Kultur, Wissenschaft, Bildung und Inneres im Fokus standen. Als Leser/Kommentator haben Sie die Möglichkeit, dieses Spektrum um weitere Wahlprogrammanalysen zu erweitern. 

Das Programm der SPD enthält nach den wichtigsten Themen Arbeit, Wirtschaft, Wohnen, Umwelt und Mobilität auch Aussagen zu Bildung und Wissenschaft. Obwohl nicht namentlich erwähnt, können sich auch die Berliner Archive – Stichwort – Archivpädagogik – angesprochen fühlen, wenn es heißt:

“Berlin hat eine bunte und große Trägerlandschaft der kulturellen und politischen Bildung […] Gemeinsam mit diesen Trägern und der Landeszentrale für politische Bildung wollen wir die politische Bildungsarbeit weiterentwickeln. Dabei wollen wir insbesondere die vielschichtige Geschichte Berlins und ihre Rolle als Stadt der Einwanderung und Verschiedenheit beleuchten und die politische Partizipation der Bürgerinnen und Bürger sowie eine demokratische Stadtkultur fördern.” (S.47)

Während Museen, Bibliotheken und Gedenkstätten relativ ausführlich behandelt werden, fehlt eine solche Aussage zur Berliner Archivlandschaft. Zumindest das Bauhaus-Archiv kann sich freuen, dass die SPD in ihrem Wahlprogramm an dem bereits 2013 im Koalitionsvertrag mit der CDU vereinbarten Erweiterungsbau festhält (S.55). Am Ende findet sich dann doch noch eine konkrete Aussage im Abschnitt “Sexuelle Vielfalt wertschätzen”:

“[Wir] setzen uns weiterhin für ein Haus der queeren Archive und Museen ein. Wir unterstützen die Initiative der im Bündnis Queer Nations zusammenwirkenden schwulen und lesbischen Archive und des Schwulen Museums.” (S.69)

In dem mit “Starkes Berlin” betitelten CDU-Wahlprogramm liegen die Themen Kultur, Wissenschaft und Inneres auf den Plätzen 11, 12 und 14 (von insgesamt 15; Bildung dagegen auf Platz 1, hier aber im Wesentlichen auf Schulbildung beschränkt). Zwar sollen u.a. Museen, Gedenkstätten und Bibliotheken gefördert werden, konkrete Aussagen zum Archivwesen der Hauptstadt enthält das Papier aber nicht.

Die Bündnisgrünen betonen in ihrem Wahlprogramm ebenfalls die Bedeutung von öffentlichen Bibliotheken und Gedenkstätten (Punkt 4.2), wobei ein besonderer Schwerpunkt, auch in anderen Bereichen, auf der Entwicklung und Verbesserung digitaler Angebote liegt. Die Novellierung des Informationsfreiheitsgesetztes wird angestrebt (Projekt 3 der “101 Ideen für Berlin”). Projekt 15 widmet sich ausführlich dem Thema “Lebendige Erinnerungskultur. Berlins koloniale Vergangenheit aufarbeiten”. Gerade Archive dürften für diese Aufgabe die erste Adresse sein, auch wenn sie nicht namentlich erwähnt werden. Dafür setzt sich das Wahlprogramm explizit “für die Bewahrung des Archivs der DDR-Opposition” ein (Punkt 1.5), das zur Robert-Havemann-Gesellschaft gehört und in seiner Existenz bedroht war. Gefordert wird außerdem ein “Neustart der ISV [i. e. “Initiative sexuelle Vielfalt” auf Beschluss des Abgeordnetenhauses von 2009]  unter enger Einbindung der queeren Community.” (Projekt 84) Dazu würde wohl auch eine intensivere Förderung des Schwulen Museums und seines Archivs gehören.

Das Hauptthema der Linken in ihrem Wahlprogramm ist die soziale Gerechtigkeit, auch im kulturellen Bereich. Zum Bauhaus-Archiv wird explizit formuliert:

“DIE LINKE hat sich jahrelang für einen Erweiterungsbau des Bauhaus-Archivs eingesetzt und wird daher Planung, Finanzierung und Neubau sowie Sanierung des denkmalgeschützten Bestandsgebäudes mit Nachdruck unterstützen.” (Kap.5)

Kapitel 6 (von 7) widmet sich ausführlich den Themen Bildung, Kultur, Medien und Digitalisierung, u.a. der Stärkung der Rolle der Bibliotheken und der dafür erforderlichen Finanzierung. Ein vergleichbares Statement zu den Archiven fehlt. Wie die Bündnisgrünen fordert auch die Linke eine Novellierung des Informationsfreiheitsgesetzes.

Schließlich noch das titellose Wahlprogramm der Piratenpartei, das insgesamt für mehr direkte Demokratie und Transparenz wirbt und sich insbesondere mit den vielfältigen Aspekten der Digitalisierung (Open data, Informationsfreiheit etc.) befasst. Ebenso wie die anderen Parteien setzen sich auch die Piraten für die Förderung kultureller Einrichtungen ein. Berlin soll demnach ein Bibliotheksgesetz bekommen; Gedenkstätten und Stiftungen “müssen […] so mit finanziellen Mitteln ausgestattet sein, dass sie ihrer wichtigen Forschungs- und Vermittlungsarbeit nachkommen können.” (Punkt 16). Sucht man den Begriff “Archiv” im Wahlprogramm der Piraten, stößt man auf sage und schreibe sieben Treffer. Dabei geht es vor allem um die Forderung nach “freie[r] digitale[r] Zugänglichkeit von Veranstaltungen, Beständen, Archiven und Dokumenten” (ebenda), sowie um die “Umsetzung von Wissensfreiheit durch die Veröffentlichung von Archiven” (Pkt.2). Neben dem Ziel, ein (noch zu gründendes) Videospielearchiv nach Berlin zu holen (Pkt.6), stehen die Piraten auch zum Archiv der Jugendkulturen, das “langfristig erhalten bleiben” muss (ebenda).

Ein Fazit? Als ein allgemeines Ziel aller hier vorgestellten Wahlprogramme wird die Förderung von Kultur formuliert. Nach Museen, Bibliotheken, Gedenkstätten u.a. Institutionen spielen Archive in Berlin dabei eine untergeordnete Rolle, wenn sie denn überhaupt benannt werden. Anstatt sich nun enttäuscht abzuwenden, könnte/sollte man sich als “Betroffener” an dieser Stelle fragen, wo die Ursachen für diese mangelhafte Wahrnehmung liegen und wie dieser Problematik, z. B. durch eine stärkere Öffentlichkeitsarbeit, begegnet werden kann. Die genannten Parteien sprechen sich außerdem unisono dafür aus, mehr Personalstellen im öffentlichen Dienst zu schaffen. Darf hier auch das Landesarchiv Hoffnung haben?